#WirHabenPlatz – offener Brief an den Bürgermeister der Gemeinde Lindlar

#WirHabenPlatz: Auch NRW-Kommunen wollen schutzbedürftige Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen
Seit Jahresanfang haben sich mehrere Städte in NRW bereiterklärt, unbegleitete Minderjährige und andere schutzbedürftige Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen.
Hintergrund sind die desolaten Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern. Bereits am 02.10.2019 machten 19 Menschenrechtsorganisationen mit ihrem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer auf die katastrophale Lage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF) in Griechenland aufmerksam. In der Folge signalisierten viele Städte und einige Bundesländer (z. B. Niedersachsen, Thüringen und Berlin) ihre Bereitschaft umF aus Griechenland aufzunehmen.

Auch WinLi hat durch seinen Vorsitzenden Siegfried Charlier in einem offenen Brief an den Bürgermeister appelliert:

Sehr geehrter Dr. Ludwig!

Angesichts der unerträglichen Situation geflüchteter Menschen an der türkisch-griechischen Grenze appellieren wir an den Rat der Gemeinde Lindlar dem Bündnis von mittlerweile mehr als 150 deutscher aufnahmewilliger Städte und Kommunen beizutreten. Aktuell geht es um ein Kontingent für besonders bedrohte minderjährige Flüchtlingskinder aus dem Lager Moria auf der Insel Lesbos. Ein glaubwürdiges Signal ist eher die Aufnahme von 5000 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in Deutschland als die schwammigen 1000 – 1500, wenn alle mitmachen, aus der aktuellen Presse.
Die Gemeinde Lindlar muss nach dem offiziellen Königsberger Verteilerschlüssel noch bis zu 100 neue Flüchtlinge aufnehmen. Das wäre auch jederzeit umsetzbar und machbar – vor allem, nachdem die Gemeindeverwaltung in jüngster Vergangenheit sich sehr erfolgreich um neuen privaten Wohnraum gekümmert hat. Wir haben aktuell genügend Leerstand in den gemeindlichen Unterkünften. Wir können als Zivilgemeinde erfolgreich in der Zusammenarbeit vieler Beteiligter einen nächstenliebenden menschlichen Beitrag zur Rettung von Menschen in existentieller Not leisten.

Dieser unser Beitrag ist dringend nötig, weil die EU infolge jahrelanger Untätigkeit mitverantwortlich für die aktuelle Zuspitzung ist:
– Die Aufnahmelager auf den griechischen Inseln vor der Küste der Türkei müssen dringend durch Überführung der Flüchtlinge aufs Festland entlastet werden, um die ansässige Bevölkerung zu unterstützen und sie und die Flüchtlinge nicht dem rechten Mob zu überlassen.
– Europa muss endlich einen tragfähigen Verteilungsschlüssel innerhalb der Mitgliedsstaaten organisieren; Grenzschutz darf nicht gegen Menschenrechte ausgespielt werden. Ordnung (Seehofer) darf nicht vor Humanität gehen.
– Wenn Griechenland die Außengrenze der EU abbildet, muss auch dort das Asylrecht gewährleistet werden und darf nicht einfach, wie jetzt aktuell, für einen Monat ausgesetzt werden; Diese Aussetzung ist ein Verstoß gegen die EU-Menschenrechtscharta und das Völkerrecht.
– Die Anrainerstaaten des syrischen Bürgerkrieges – Libanon, Jordanien und die Türkei – müssen finanziell seitens der EU unterstützt werden. Erdogan verdient aber keine Unterstützung für die Ansiedlung syrischer Flüchtlinge auf Kosten der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien.
– Die syrischen Flüchtlinge in Idlib brauchen eine internationale Flugverbots- und Schutzzone für die von Assad noch nicht zurückeroberte und zerstörte Region. Weder Erdogan noch Putin noch der Iran haben in Syrien das Recht für die Führung ihrer Macht- und Stellvertreterkriege. Es braucht eine UN-Friedenskonferenz ohne das Vetorecht der Großmächte.

Auf all diese globalen Zusammenhänge und Hintergründe haben wir hier vor Ort bekannterweise so gut wie keinen Einfluss. Einfluss haben wir nur auf unsere lokale Verantwortung der möglichen Hilfe für Menschen in Not. Lassen Sie uns diese Verantwortung weiterhin gemeinsam schultern und verschanzen wir uns nicht hinter Floskeln der gemeinsamen Verantwortung in Europa und der Welt – im sicheren Wissen, dass dies eh nicht gelingen wird. Verantwortung kann nur individuell und so konkret wie möglich wahrgenommen werden. Dazu sind wir vor unserem Gewissen aufgerufen. Diese konkrete Solidarität ist Ausdruck unseres Mitgefühls mit Menschen in Not.

Siegfried Charlier, 1.Vors. WinLi /Willkommen in Lindlar)