Offener Brief unseres Vorsitzenden Siegfried Charlier an die Abgeordneten in Berlin zur oft unbefriedigenden Situation von Geflüchteten hinsichtlich der Bleibeperspektive, insbesondere im Duldungs-Status:
Sehr geehrte Damen/Herren!
Die neue Ampel-Koalition aus SPD/GRÜNE/FDP hat zwar einige hoffnungsvolle Signale in Richtung von Liberalisierung der Migration gesendet, doch fehlen noch die konkret notwendigen Umsetzungsschritte.
Wir müssen weg von der Erschwerung der Unterstützung von Menschen auf der Flucht, die unter Seehofer oberstes Ziel der deutschen Politik war, hin zu einer Erleichterung der Einreise- und Aufenthaltspolitik für Menschen auf der Flucht.
Seit ca. 10 Jahren fordert der BDI (Bund der Deutschen Industrie) die Ermöglichung von Zuzugsmöglichkeiten für 400 000 Menschen im Jahr, um den demografischen Wandel bei uns abzufedern. Gemeint sind Arbeitsplätze für angelernte Tätigkeiten, aber auch Facharbeiterstellen.
Die Situation geflüchteter Menschen bei uns ist äußerst heterogen: wir haben ein Nebeneinander von Asylbewerbern, Bürgerkriegsflüchtlingen gemäß der Genfer Konvention und Arbeitssuchenden. Neben dem Status der Anerkennung und Niederlassungserlaubnis befinden sich viele im Status der vorläufigen Duldung.
Hier geht es um Menschen, die teilweise seit vielen Jahren bei uns sind, sich gut integriert haben, deutsche Sprachkenntnisse erworben haben und vielfach sich selbst durch Arbeit versorgen können. Einige verfügen allerdings über keinen gesicherten Identitätsnachweis, d.h. es fehlen ihnen die offiziellen Papiere. Gerade diese Menschen sind aktuell von Abschiebung in ihre unsicheren Heimatländer bedroht. Wenn diese Menschen dann in die Illegalität abtauchen, ist auch niemand geholfen.
Für diese, bereits bei uns lebenden Menschen, brauchen wir einen sog. SPURWECHSEL, d.h. die Möglichkeit jenseits von Ankommensrichtlinien ihren bisherigen Aufenthalt abzusichern. Es ist geradezu widersinnig, dass wir beim sattsam bekannten Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel bei uns, bereits vorbildlich integrierte Mitmenschen abschieben. Der Staat der Bundesrepublik Deutschland, aber auch viele Unternehmer haben viel Geld in die Hand genommen, Menschen auf der Flucht Sicherheit zu bieten. Sie jetzt abzuschieben wäre ignorant, menschenver-achtend und kontraproduktiv. Wir würden unsere Glaubwürdigkeit weiter verringern.
Wir bitten Sie, als vom Volk gewählte Vertreter*innen, sich in diesem Sinne für das Bleiberecht von Menschen auf der Flucht, die schon seit Jahren bei uns leben und sich gut integriert haben, einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen, Siegfried Charlier, 1.Vors.WinLi